Tamala2010: Katze im Weltraum

Der Kultfilm, der keiner ist

Zwischen buntem Porno-Kitsch, Zombie-Samurai und Plüsch-Neurosen auf der einen Seite – und suggestiver Minimalästhetik und tragischer Ephemerität.

Tamala2010 – A Punk Cat in Space ist eine Assoziationsmaschine, die scheinbar alles Sinnhafte nach einem kräftgen und heißen Oxy-Waschgang ausgeblichen hat. Das Studio des Tokyoter Künstlerduos t.o.L brachte den Film bereits 2003 auf die Leinwand, und seither ergehen sich Rezensenten darin, all die mehr oder weniger offensichtlichen Anspielungen des scheinbar zusammengestöpselten Universums um den bösen Hello-Kitty-Zwilling Tamala offenzulegen. Und alle sind sie gleich wahr: Von Fritz the CatYellow SubmarineBlade Runner und Bambi über Betty Boop und Astro Boy bis Thomas Pynchon und William Gibson ist alles drin in dem Polyester-Stoff des Filmes.

Genau dieser Umstand spaltet Kritiker in zwei extreme Lager: man liebt oder hasst den Film, wie man so sagt. Die Verreißer stört die Beliebigkeit der Handlung und der Figuren – tatsächlich hat der Film kein Bedürfnis, etwas wirklich in eine logische und sinnvolle Abfolge zu bringen. Liebhaber andererseits finden genau darin einen weirden Kosmos, der originär, witzig und beizeiten ironisch ist.

Die Null-Summen-Handlung

Selbst wenn ich hier jetzt die Geschichte nacherzähle, fange ich damit nicht ein, wie zufällig die Geschehnisse in dem Film vor sich hindröppeln. Wenn ich sage, dass Tamala am Anfang des Filmes auf dem Planeten Q strandet, während sie doch eigentlich auf der Suche nach ihrer Mutter auf dem Planeten Orion ist, ist schon fast zu viel Geschichte reingebracht. Flach ist die Geschichte auch dann, wenn man realisiert, dass man sozusagen die “Mutter” Tamalas auf Q gefunden hat, es ist nämlich eine Göttin, die vom Minerva-Kult verehrt wird, und Tamala ist ihre Reinkarnation. Das kann so sein oder nicht. Und das erklärt nur vielleicht die ominöse Anziehungskraft Tamalas, die so etwas wie Superstar und Superheldin zugleich ist, auf die anderen Figuren auf dem Planeten Q. Wie dem auch sei, die Heldin macht sich am Schluss wieder auf die Suche nach ihrer Mutter und beginnt die Geschichte nach dieser Episode sozusagen von vorne.

Flache Ware

Wie-dem-auch-sei fängt Tamala2010 jedenfalls recht gut ein und ist etwas, das in Japan Tradition hat: Es gibt zum Beispiele Drucke aus dem vormodernen Japan, die alles nebeneinander erzählen ohne jegliche perspektivische Tiefe ohne Anspruch auf einen zwingenden Zusammenhang. Internetzeitalter, Postmoderne oder wie dem auch sei, die entstehende Irritation des Filmes ist genau auch das, warum man daran hängen bleibt (oder nicht). Die einfachen Ligne-claire-Zeichnungen und die Tatsache, dass der Film schwarz-weiß ist, ergeben eine angenehme Minimalästhetik, die vielleicht diesen Schöpfungsreichtum, der beim Leser entsteht, erst ermöglicht, genauso wie es die Flachheit des Films erlaubt, die eigenen Ideen auf den Film zu projizieren.

Was sonst als eine Apokalypse

Tamala2010 ist übrigens nichts für zarte Gemüter, es wird reichlich gemetzelt, es gibt einen bedrohlichen Konzern, der droht, alles unter seiner Machthabe zu ersticken und dann auch so etwas wie eine Gewaltapokalypse. Alles im Wie-dem-auch-sei. Aber Moment, jetzt bin ich auch in dem Taumel des Assoziativen eingefangen worden. Und genau das ist das Potenzial diese Filmes. Er macht Spaß, schaut ihn euch an!

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